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Revolutionäre und Ränkeschmiede, Freiheit oder Knechtschaft – die erste groß angelegte Kampagne aus der eigenen Feder von Georg Pils und Michael Prammer widmet sich den ganz großen politischen Themen. Ein Hauch von Vormärz-Geschichte und hohe kreative Anforderungen machen diese Kampagne zu einer Perle. Was ist mächtiger: die Feder oder das Schwert?
Nachdem die erste lange Kampagne Dracolith als Fanprojekt von den Finsterland-Machern übernommen wurde, bringt das Team um Georg Pils nun eine Kampagne aus eigener Feder auf den Markt. In Zeiten von „fake news“ und „Lügenpresse“, in denen das gedruckte Wort einerseits an Glaubwürdigkeit verliert, andererseits wie nie zuvor in rasantem Tempo zur Meinungsbildung beiträgt, entführt Freiheit für Schwarzenbrück in eine dem Vormärz (1815-1848) ähnliche Ära, in welcher die Presse einerseits ihr Selbstbewusstsein ausbildete, andererseits mit staatlicher Zensur zu kämpfen hatte. An der Seite des mutigen Zeitungsverlegers Erich Dwořak versuchen die Helden, der strategisch wichtigen Stadt Schwarzenbrück zu Freiheit und Frieden zu verhelfen. Aber Vorsicht: Kaum jemand ist hier der, der er zu sein vorgibt!
Inhalt
Insgesamt ist die Kampagne in fünf Bände unterteilt, von denen bisher nur der erste als Digitalversion erschienen ist. Der vorliegende erste Band beinhaltet auf 90 Seiten die ausführlichen Informationen zu Schwarzenbrück und Umgebung, sowie zwölf kleinere Geschichten, welche als Aufhänger oder zur Auflockerung zwischen den Abenteuern genutzt werden können. Abgeschlossen wird der Band durch die einleitende Geschichte zu den folgenden Abenteuern. In den weiteren vier Bänden werden jeweils drei Abenteuergeschichten vorgestellt, welche lose zusammenhängen und beliebig miteinander kombiniert werden können. Allerdings sollten laut Empfehlung nicht mehr als drei der Geschichten parallel gespielt werden.
Da nur der erste Band erschienen ist, lässt sich zu der logisch aufgebauten Abfolge der Ereignisse keine Aussage treffen. Dadurch, dass die zwölf kleineren Geschichten bereits viel Raum im ersten Band einnehmen, ist wenig wirklich kampagnenrelevantes Spiel zu finden Bei einer regelmäßig spielenden Gruppe müsste also unbedingt das Erscheinen des zweiten Bandes abgewartet werden, bevor mit der Kampagne begonnen wird, um Stagnation zu vermeiden. Die sehr ausführlichen Informationen zu Schwarzenbrück nehmen ebenfalls vergleichsweise viel Raum ein. Damit erscheint der erste Band weniger als ein Auftaktband zu einer Kampagne denn als Materialienband zur Hintergrundwelt.
Die Ankündigungen über den Verlauf der Kampagne setzen ein hohes Niveau an, was die Komplexität des Plots und die Anforderungen an die Spieler betrifft. Ob dieses hohe Niveau in den eigentlichen Abenteuern durchgehalten wird, bleibt mit Spannung abzuwarten.
Für Spieler: die Macht des Wortes
Wer gerne subtil agiert, Geheimnisse aufdeckt und überdies noch eine kreative Ader beim Schreiben besitzt, für den ist Freiheit für Schwarzenbrück eine wunderbare Spielwiese. Detektive und Journalisten als Charakterkonzept kommen sehr auf ihre Kosten. Sobald die Helden in die Dienste Erich Dwořaks getreten sind, sind sie beauftragt, für seine Zeitung (in einem sinnigen Wortspiel „Schwarzbrücker Freiheit“ genannt) Geschichten aufzuspüren, welche dann veröffentlicht werden. Wenn die Spieler daran Spaß haben, dürfen sie diese Artikel selbst im Detail verfassen, aber auch nur auf ihre Erfolge würfeln und den Tenor nebst dem Inhalt des Artikels festlegen. Das ist eine wirklich schöne Idee, andererseits steht und fällt die gesamte Kampagne auf diese Weise damit, wie gerne sich die Spieler auf die Möglichkeit zur journalistischen Betätigung einlassen, denn die Autoren warnen vor, dass die Reichweite der Zeitung und die Art, wie die Ereignisse im Print vermittelt werden, unmittelbare Auswirkungen auf die Kampagne haben.
Zwar wird in Aussicht gestellt, dass für kämpferisch ausgelegte Charaktere genügend Betätigungsfelder gegeben sein werden, allerdings lässt sich diese Vorhersage bisher nicht bestätigen. Ob die Fans der Steampunk-Elemente Finsterlands ebenfalls auf ihre Kosten kommen werden, ist bisher ebenso wenig absehbar. Die politisch-literarische Ausrichtung der Kampagne und ihre eventuellen weitreichenden Folgen je nach Ausgang mögen nicht jedermanns Fall sein, heben die Kampagne dadurch jedoch reizvoll von vielen bisherigen Abenteuern ab.
Für Spielleiter: kompakte Infos bei engem Korsett
Die beiden großen Kampagnen Dracolith und Freiheit für Schwarzenbrück sind sich in einer Sache recht ähnlich: Dem Spielleiter wird eine Fülle von Hintergrundinformationen zur Verfügung gestellt, auf die er sich berufen kann. Nicht nur die einzelnen Stadtteile und Organisationen von Schwarzenbrück sind in gewohnter Detailtiefe (30 von 88 Seiten) vorhanden, sogar die Druckerei der Zeitung ist mit einem genauen Grundriss versehen. Bei der Beschreibung der einzelnen Stadtviertel wird sinnvoll vom Allgemeinen ins Detail geführt, und die Viertel selbst sind bereits mit wichtigen, ebenfalls detailliert beschriebenen, einflussreichen Nichtspielercharakteren ausgestattet, welche dort Einfluss besitzen und welche in den einzelnen Abschnitten auftauchen können. Somit ist vom Spielleiter wenig Eigenleistung gefordert, was die Ausgestaltung der Spielwelt betrifft. Wer allerdings gerne eine freiere Hand hat, der wird sich von den detaillierten Beschreibungen vielleicht weniger unterstützt als vielmehr bevormundet fühlen.
Die zwölf einführenden Geschichten folgen dem üblichen Aufbau der Finsterland-Abenteuer in der Unterteilung in fünf Szenen. Diese sind jedoch ebenfalls um einiges detailreicher als bisher ausgestaltet und lassen wenig Raum für eigene Ideen.
Insgesamt erkennt man in den detaillierten Beschreibungen der Szenen eine Liebe zur Atmosphäre, die jedoch eher für ein lesendes denn ein spielendes Publikum interessant sein könnte. Dem Spielleiter wird zu stark vorgegeben, wie er Atmosphäre erzeugen könnte und welche Wege die Spieler unbedingt gehen sollten. Rollenspiel-Kampagnen lassen sich jedoch nur selten mit einer romanhaften Stringenz und Detailtiefe vereinbaren, da Spieler immer auch eigene Ideen einbringen. Im Versuch, möglichst viele Alternativen abzudecken, wie Spieler reagieren könnten, werden die Beschreibungen wieder sehr detailliert und lassen zu wenig Raum für das eigene Ermessen des Spielleiters (so wird bei jeder noch so kleinen Alternative genau vorgegeben, wie viele Erfolge von Spielerseite benötigt werden und welche Gegenwürfe Nichtspielercharaktere zu tätigen haben). Als Spielleiter hat man dadurch vielleicht eher das Gefühl, einen Roman nachzuspielen - und die nicht geringe Aufgabe, die Spieler dieses enge Korsett nicht spüren zu lassen.
Ein Spielleiter sollte seine Spieler also gut kennen, um zu wissen, ob sie die geeigneten Kandidaten für diese Kampagne darstellen und gleichzeitig von einer gewissen Charakterwahl von vornherein abraten, um Enttäuschungen zu vermeiden.
Der große Zusammenhang (Spoiler!)
Wie bereits erwähnt kommen in Freiheit für Schwarzenbrück größere politische Zusammenhänge zum Tragen, die jedoch erst einmal aufgedeckt werden müssen. Wer sich als Spieler für die Kampagne interessiert, sollte das Folgende nicht lesen.
[spoiler] Vordergründig haben die von den Spielern aufgedeckten und in der Zeitung veröffentlichten Geschichten nur denselben Schauplatz gemein. Mit jeder weiteren Geschichte zeichnet sich jedoch ein tiefgründigeres Bild für die Spieler ab. Hinter den Vorkommnissen stecken vier Agenten, welche im Auftrag des mächtigen Kurfürstentums Leonid Schwarzenbrück unterwandern sollen, um politische Institutionen auszuschalten und die Stadt unter leonidische Kontrolle zu bringen. Der Grund hierfür: Schwarzenbrück liegt strategisch günstig, um von dort aus das Kurfürstentum Madjas zu erobern, ein etwaiges langfristiges Ziel Leonids im Falle eines weiteren großen Kriegs.
Die Agenten treten dabei in unterschiedlichen Verkleidungen immer wieder in den Abenteuern auf und haben zudem noch ihre ureigensten persönlichen Agenden. Dem Spielleiter stellt sich dabei die Herausforderung, die detailliert beschriebenen unterschiedlichen Rollen einerseits gut darzustellen, andererseits aber auch Hinweise fallen zu lassen, damit die Spieler irgendwann herausfinden, dass es sich stets um einen oder mehrere der vier Agenten handelt. Wie genau die Enttarnung funktionieren kann oder soll, wird in den folgenden Bänden beschrieben werden.
Die Ouvertüre
Die letzten 20 Seiten widmen sich dem Auftaktabenteuer der Kampagne. Die Helden werden unversehens Zeugen, wie ihre spätere Bezugsperson Erich Dwořak „laternisiert“, also an einer Laterne aufgehängt werden soll und müssen sich etwas einfallen lassen, um ihn zu retten. Sobald der Gerettete sie zu sich in seine Druckerei einlädt, bietet sich ihnen dort ein Bild der Verwüstung. Das Ziel des Auftaktabenteuers ist es, die Zeitung wieder in den Umlauf zu bringen. Dazu müssen die beschädigten und gestohlenen Utensilien wiederhergestellt und die versprengten Mitarbeiter wieder gefunden werden, womit sich die weiteren Szenen des Abenteuers beschäftigen. Zu Beginn der folgenden Abenteuer ist die Druckerei einsatzbereit und wartet nur darauf, Dwořaks hehren Zielen zu dienen, Schwarzenbrück von Korruption und Unterwanderung zu befreien. [/spoiler]
Erscheinungsbild
Der erste Band ist bisher nur als PDF auf DriveThruRPG.com zu erwerben, daher lassen sich über die Haptik und den Druck keine Aussagen treffen. Das Cover erinnert im Stil an die übrigen Bände des Systems und fügt sich damit gut ein. Die dargestellte Szene weist mit einem Zeitungsverkäufer auf offener Straße und einem Mob im Hintergrund stimmungsvoll auf den Tenor der Kampagne hin. Ein besonderer Hingucker ist der Rückendeckel des Bandes, gestaltet als Titelseite ebenjener Zeitung, um die die Kampagne kreist.
Das Design im Inneren ist eine Mischform aus ansprechenden Randzeichnungen, detaillierten Personenporträts und stimmungsvollen Kapitelbildern auf der einen Seite und relativ krude anmutenden Grundrisszeichnungen, die Zweckmäßigkeit vor Optik stellen, auf der anderen.
Wenige Flüchtigkeitsfehler fallen störend ins Auge, das Layout orientiert sich gewinnbringend an Kampagnenbänden anderer Systeme.
Bonus/Downloadcontent
Spezieller Bonuscontent zur Kampagne liegt nicht vor, allerdings kann nicht genug auf das umfangreiche Downloadmaterial zu Finsterland allgemein auf der offiziellen Homepage hingewiesen werden. Wie viel die Macher potentiellen Spielern kostenlos zur Verfügung stellen, ist keinesfalls selbstverständlich.
Fazit
Mit der richtigen Spielergruppe, die eine Vorliebe für Revolutionsstimmung, Journalismus und einen hohen Einsatz an Kreativität mitbringt, kann das Spielen dieser Kampagne zu einem denkwürdigen Erlebnis werden. Der Ansatz hebt sich wohltuend von stereotypen Handlungsgeschehen um Dämonen, schwarzmagische Umtriebe und dergleichen ab und erinnert an Intrigen-Abenteuer im Horasreich in DSA. Die Chance, selbst journalistisch tätig zu werden, ist ein innovativer Ansatz, der in dieser intensiven Ausprägung recht selten vorkommt.
Allerdings werden sich Spielleiter mit dem Problem konfrontiert sehen, irgendwie vermitteln zu müssen, wie viel auf dem Spiel steht, damit die Spieler der Zeitung die nötige Aufmerksamkeit schenken, ohne die gesamte Kampagne im Vorhinein schon zu spoilern.
An manchen Stellen will die Vorlage zu viel, ist zu viel in Detailtiefe investiert worden, die die Vorbereitung des Spielleiters eher erschwert als erleichtert. Wenn sogar schon die Warnung seitens der Autoren ausgegeben werden muss, dass Ergänzungen durch Spielleiter zwar möglich sind, aber akribisch auf Vereinbarkeit mit der Vorlage überprüft werden sollten (S. 12), sollte sich eher die Frage gestellt werden, ob seitens der Vorlage nicht weniger Details zum selben Ergebnis führen. Somit ist, wie der Vorgänger Dracolith, auch Freiheit für Schwarzenbrück weniger etwas für Sandbox-Spieler, jene werden aber dafür bei der Fülle an Kurzabenteuern, die Finsterland sonst zu bieten hat, fündig werden.
In jedem Fall macht der Einführungsband Appetit auf die weiteren Bände der Kampagne, die hoffentlich rasch folgen werden.
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Einfach super und jeden Cent wert! Einfach entlang der entsprechenden Linien (Muster separat erhältlich) falten und aufsetzen. Fertig. Seeehr fesch!
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Finsterland legt mit dem Quellenbuch „Almanach der Zauberkunst“ ein weiteres Hardcoverbuch nach. Wie zu erwarten, findet sich neue Magie in diesem Buch. Darüber hinaus bietet es jedoch auch eine Vielzahl an weiteren, äußerst wertvollen Informationen. Warum sich die Anschaffung lohnt, möchte ich hier beleuchten.
Erscheinungsbild
Ich bin immer wieder erstaunt, wie ein kleiner, eigenverantwortlicher Verlag derart gut gestaltete Hardcover(!)-Bücher herausbringen kann. Der Almanach stellt auch hier keine Ausnahme dar. Auf dem Frontcover ist die Darstellung einer Frau zu sehen, die ein geisterhaftes Wesen bindet oder auch verscheucht. Wieder setzt der Stil von Eleonore Eder ganz eindeutige Punkte, die zu gefallen wissen.
Das Papier ist wie gewohnt nicht reinweiß, sondern mit einem leichten Gelbstich versehen, was gut zum Steampunk/Steamfantasy Setting des österreichischen Rollenspiels passt.
Mit 152 Seiten ist der Umfang vergleichbar zum Grundregelwerk. Da dürfen natürlich Inhaltsverzeichnis und Index nicht fehlen. Die Erwartung wird hier erfüllt.
Die generelle Optik reiht sich nahtlos in die hohe Qualität der anderen Veröffentlichungen ein. Lange Textwände entstehen erst gar nicht, da die Informationen immer wieder durch Artwork oder andere optisch aufhellende Elemente aufgebrochen werden. Dem suchenden Auge wird also genug geboten.
Inhalt
Ein gutes Quellenbuch beginnt mit einer Kurzgeschichte. In meinen Augen ist es so und so bietet sich uns genau die erwartete Geschichte rund um eine Erbschaft eines Anwesens mit dazugehörigem Spuk und etwas anderem Ausgang als erwartet. Hervorragend, um die Gefahren der magischen Welt für die mundanen Menschen deutlich zu machen.
Danach überrascht uns eine an Hieronymus Bosch erinnernde Karte der magischen Sphären, die darstellt, welche Erkenntnisse die wissenschaftliche Magie in den letzten Jahren erarbeiten konnte. Bereits durch diese Doppelseite bekommt das Buch ein ganz einzigartiges Flair, welches sich fortzieht.
Bevor es ans Eingemachte geht, wird behandelt, welche Formen der Magie es überhaupt gibt. Das finde ich sehr gut, denn aus dem Grundregelwerk wurde nur klar, dass neben akademischer Magie auch natürliche, ursprüngliche Arten der Zauberkunst existieren. Doch richtig greifbar wurde nicht, welche Rolle die Magie im Leben der Finsterländer spielt. Mit dieser Aufsplittung nun und der Erkenntnis, dass es noch deutlich mehr gibt, gewinnt die Spielwelt fühlbar an zu verarbeitendem Material. Nichts davon wirkt aufgesetzt und alles passt zur Stimmung des 19. oder auch frühen 20. Jahrhunderts. Die Ausführungen werden um Ausbildung, Lebensstil, Ehrenvorstellungen und Pflichten erweitert und komplettieren so dieses erste Weltbild. Schön finde ich, dass Certamen – magische Duelle – erklärt und im weiteren Verlauf sogar mit Regeln unterlegt werden.
Das oben genannte magische Weltbild der Sphären wird anfolgend genauer erklärt, wie auch die davon abweichende Sicht der Dinge von Naturmagiern. Denn bei der Sphärentheorie handelt es sich um eine wissenschaftliche Betrachtung, die nicht allgemein akzeptiert wird. Besonders die magische Sicht der Okkultisten hat es mir angetan, ist sie doch so wunderbar perfide und von Lust getrieben.
Interessant, und nicht nur unter „ferner liefen“, ist das Kapitel über bekannte Magier der Vergangenheit und Gegenwart. Hier liest man nicht nur von den Begründern der elementaren Schulen, sondern auch über einige sehr schillernde Zeitgenossen, die man gut in Kampagnen einbringen kann. Ich hatte den Eindruck, dass die mächtige Magierin Rotraud aus der Schlacht am Echsenberg ein ehemaliger Spielercharakter ist, denn es wird immer wieder von ihren Begleitern gesprochen, mit denen sie viele Abenteuer bestanden hat. Schön ist, dass zu jedem NSC immer wieder Storyideen angeboten werden, die zwar knapp gehalten sind, aber gute Ansatzpunkte zur Eigenleistung liefern.
Ich schrieb gerade von der magischen Ausbildung. Dazu gibt es ein umfangreiches Kapitel über die verschiedenen magischen Akademien und Vereinigungen respektive Forschungsbündnisse. Jede Schule wird hier sehr detailreich beschrieben. Welche Vereinigungen gibt es, was wird erforscht, wie wird man aufgenommen und welche Abenteuerideen kommen dazu? Das Kapitel gefällt mir sehr gut, denn hier finde ich die meisten direkt in Abenteuern verwertbaren Informationen.
Um die Magie etwas abseits der durch harte Regelrealität beschriebenen Pfade zu führen, widmen sich die nächsten Seiten den magischen Experimenten und was alles dabei schief gehen kann. Alchimie, Nekromantie und andere werden hier thematisiert. Angesprochen hat mich hier wieder die Tiefe der Informationen. So genau wie nötig, so frei wie möglich. So mag ich es.
Besonders gut an den Quellenbüchern für Finsterland ist immer der nahe Spielerfokus. Wie spiele ich einen Magier? Welche Rolle nimmt er in der Runde an? Wie spielt mich die SL richtig an? Solchen Fragen widmet sich ein weiterer Abschnitt – und dieser weiß richtig zu punkten durch handfeste verwertbare Tipps. Abschließend gibt es einige Beispielcharaktere, um zu zeigen, was möglich ist.
Nachdem wir nun wirklich vieles über weitere Magieformen gelesen haben, ist das nächste Kapitel längst überfällig. All die magischen Konzepte, die vorher nur angeschnitten wurden, werden hier mit Regeln hinterlegt und so erweitert sich der Reigen der Magie in Finsterland um Beherrschungsmagie, Geistermagie, Alchimie, Betörungsmagie, Illusionsmagie und noch viel mehr. Hut ab, Österreicher! Das weiß die Welt gehörig zu bereichern. Was mir jedoch fehlt, sind weitere Sprüche für die vier größten Strömungen, für die Elementarmagie. Das ist ein Wermutstropfen in meinen Augen.
Weiter geht’s es mit einigen Wissensspezialmanövern, die nicht für jeden Charakter geeignet sind, aber dennoch ihre Berechtigung haben. Wer sie vermisst hat, der kommt nun auf seine Kosten. In den Charakterabschnitt gehören natürlich auch neue Organisationen von Schamanenzirkeln bis hin zu Amtsmagiern. Ja, Magie ist durch das Gesetz reglementiert und wo das Gesetz ist, braucht es auch Menschen, die es durchsetzen. Well done!
Der letzte große Abschnitt richtet sich an den Spielleiter und liefert auch hier wertvolle und nicht nur in den blauen Dunst geschriebene Tipps: wie mit magischen Spielgruppen umzugehen ist, wie man sie fordert und fördert und welche Stolpersteine zu beachten sind. Ich glaube, das ist ein Alleinstellungsmerkmal von Finsterland. Nur wenige Spiele, die ich kenne, gehen so stark auf die eigentliche Spielgruppe ein. Ausblicke über erweiterte Magietechniken wie Rituale und Artefakte, sowie magische Orte komplettieren das Bild und setzen das Sahnehäubchen auf.
Wo Spieler sind, sind auch Gegner. Einiges an magischem Gekreuch wird mit Werten und Beschreibung unterlegt und wieder sind es besonders die bosch'schen, nach Vervollständigung strebenden Dämonen, die es mir besonders angetan haben. Wieso? Weil ich den nächsten vierfach gehörnten aufrecht gehenden Bullen mit Tentakelpeitschen nicht mehr hätte ertragen können! Neben der Magie der Dämonen werden auch die anderen Rassen mit endlich greifbaren Spielwerten und Möglichkeiten unterlegt. Darunter sind die Salamander, die ich persönlich sehr interessant finde und auch Drachen. Dass es Drachen gibt in Finsterland, war mir klar. Aber hier erfahre ich endlich was über die großen Verwandten der Eidechsen.
Das wirklich gute und umfangreiche Quellenbuch wird durch ein Abenteuer beendet, welches, wenn auch sehr linear (leider), die Charaktere in die Höllische Sphäre führt. Richtig gelesen! Das Abenteuer an sich ist nicht die Spitze der Kreativität. Aber was wirklich gefällt, ist die Abstrusität und Unwirklichkeit der Darstellung der Hölle. Mit etwas Eigenleistung bekommt man das Abenteuer auch deutlich freier hin.
Preis-/Leistungsverhältnis
Das Buch ist proppenvoll mit verwertbaren Informationen, die nicht nur im spieltheoretischen Nimbus vor sich her wabern, sondern so gut auf die Spielrunden ausgerichtet sind, dass ich beeindruckt bin. Mir hat es geholfen, die Bedeutung und Rolle der Magie in Finsterland deutlich besser zu verstehen und auch in meine Kampagne einzuflechten. Da erscheint der Preis von 25 EUR lachhaft niedrig. Dazu noch eine Hardcoverbindung? Wie machen die Österreicher das bloß? Kaufen. Los!
Fazit
Ich habe das Buch mit der Erwartung in die Hand genommen, etwas Geschichte und seitenweise Spruchlisten zu finden. Doch ich wurde sehr positiv überrascht. Der Ausblick über die Magie, ihre Ausübung und ihre Bedeutung für das mundane Leben ist wirklich gut dargestellt und hat in einigen Punkten etwas erfrischend anderes als die vielen, ausgetretenen Pfade einiger anderer Systeme.
Finsterland ist als Rollenspiel auf Anfänger ausgerichtet. Dieser Pfad wird nun etwas verlassen, da so manches Konzept doch sehr metaphysisch ist und daher mehr Aufmerksamkeit des Lesers benötigt. Aber genau das ist es, was mir so gut an diesem Buch gefällt.
Finsterland nimmt einen festen Platz unter meinen Lieblingsspielen an und auch wenn ich einige Regeln im Grundregelwerk nach ein paar Abenden durch Hausregeln unterlegen würde, kann ich jedem nur zu dem Spiel raten – sofern eure Gruppe narratives Spiel schätzt.
Bonus/Downloadcontent
Es existiert kein direkter Downloadcontent, jedoch komme ich nicht umhin, auf die wahrhaft üppige Download-Datenbank von Finsterland hinzuweisen, in der sich nicht nur gute, wenn auch rudimentäre, Abenteuer finden, sondern auch eine Vielzahl an weiterführender Spielhilfen.
Unsere Bewertung
Erscheinungsbild 4v5 Edles und optisch ansprechendes Layout mit Hardcover
Inhalt 5v5 Es bleiben nur wenige Wünsche offen. Die ganze magische Welt in einem Buch
Preis-/Leistungsverhältnis 5v5 Bei der Menge an Infos, die das Buch bietet, könnte es ruhig noch 5 EUR mehr kosten!
Gesamt 4,66v5
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Bereits kurz nach der RPC 2012 hatte ich die Freude, das Grundregelwerk von Finsterland zu rezensieren, einem österreichischen Rollenspiel mit Steam Punk-/Steam Fantasy-Thema. Heute liegt das Handbuch der Technologie vor mir. Wer sich vom Titel zu der Überlegung verleiten lässt, es handele sich um seitenweise Listen von neuer Technologie, der irrt gewaltig.
Erscheinungsbild
Bereits beim Grundregelwerk hatte mich beeindruckt, dass ein Herausgeber ohne großen Verlag im Rücken Hardcoverbände herausbringen kann, die mit weit größeren Produkten konkurrieren können. Auch hier ist es nicht anders.
Das Quellenbuch überzeugt mit einem stabilen Hardcovereinband und Papier im Innenleben mit durchaus angenehmer Haptik. Das Cover wird geziert von einer Faustkampfszene auf der oberen Tragfläche eines Doppeldeckers, im Hintergrund erkennt man einen Zeppelin und mehrere andere Flugzeuge.
Eines können die Nachbarn aus dem Süden – Texte interessant aufarbeiten, ohne dass erdrückende Textwände entstehen. Immer wieder lockern gekonnte Illustrationen oder auch andere optische Elemente den Schreibfluss auf, so dass die Informationen gut an den Leser vermittelt werden. Besonders der Stil von Eleonore Eder gefällt mir gut, ist er doch irgendwo zwischen Photoart, Impressionismus und Comic gelagert.
Mit 164 Seiten liegt das Buch nur gering unter dem Umfang des Grundregelwerks. Dies ist bereits das erste Indiz dafür, dass deutlich mehr als nur Technologie beinhaltet ist. Mir sind nur sehr wenige Tippfehler aufgefallen. Drucksatz, Zeilenabstand und gewählte Schriftart unterstützen die Leserlichkeit. Auch Index und Inhaltsangabe sind vorhanden.
Inhalt
Die Menschheit bleibt sich auch in der Welt von Finsterland treu. Technologie entwickelt sich dann sprunghaft, wenn die Bestie Krieg vor der Tür steht. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch das Militär seinen Platz in diesem Quellenbuch findet. Nach der Kurzgeschichte eines Invaliden, der nach Tarimgrad fährt, um dort Ersatz für ein verlorenes Glied zu finden, geht es direkt ans Eingemachte.
Um zu verstehen, welche Entwicklungen zum großen Krieg führten, wird die Geschichte des Finsterlandes unter militärischen Gesichtspunkten neu aufgerollt. Natürlich höre ich hier Unkenrufe — „Wieso’n das? Steht doch im GRW“. Nun, liebe Unken: So wie es hier beschrieben ist, stehen die Informationen nicht im Regelwerk. Die Aufbereitung ist anders deutlich detailreicher. Auch die Verwertbarkeit der mitgelieferten Informationen ist besser, ich würde fast sagen spielfreundlicher. Soll heißen, man kann die Informationen deutlich besser in möglichen Handlungsfäden verweben.
Danach geht es weiter mit einem Exkurs über das Militär des Finsterlandes und dessen benutzte Waffensysteme. Es sei angemerkt, dass Kampfläufer, also übergroße, entfernt humanoide Maschinen, nicht das Ende der Fahnenstange sind. Ich stelle mir gerne vor, wie ein Trägerschiff a la Avengers in einem Steampunk Universum aussehen würde. Und ja, diese Ungetüme existieren. Luftwaffe, Marine, Magie, berühmte Einheiten und vieles mehr – all das wird nicht nur angeschnitten, sondern auch in genügender Tiefe dargeboten, um es als SL in die Handlung oder als Spieler in den Hintergrund einzubringen.
Besonders bei den berühmten Einheiten spielt seit diesem Regelwerk auch die Politik eine wichtige Rolle. Deswegen vergessen die Autoren auch nicht, diesen Bereich erklärend abzudecken. Endlich wird klar, wie Kurfürsten, Kaiser, niedrige Adlige und Geldadel zueinander stehen und wie die Regierung des Finsterlandes funktioniert.
Missfallen hatte mir im Grundregelwerk, dass das technologische Level der Spielwelt nur schwer greifbar war, wenn es um Details ging. Im Kapitel „Technologie“ wird dieser Missstand behoben. Endlich erfahren die Spieler, was möglich ist in vielen Bereichen des finsterländischen Lebens, angefangen von Kommunikationstechnologien wie dem Telephon oder auch der topmodernen Differenzmaschine, über die industriellen Methoden der Produktion – inklusive neuer Materialien, die teils künstlich gefertigt wurden, teils sehr selten sind – bis hin zu Medizin, Gesundheit und Machinae.
Ein Merkmal, das ich an Finsterland sehr schätze, ist, dass zu jedem Abschnitt immer mögliche Handlungsfäden angeboten werden. Ein konkretes Beispiel: Die bekannteren Firmen, die im Abschnitt über Produktion Erwähnung finden.. Das ermöglicht einen guten Zugriff auf die Spielwelt.
Dieses Merkmal findet sich auch in den detailreichen Beschreibungen verschiedener technischer Universitäten mit ihren Burschenschaften, Fachbereichen und Lektoren. So bietet sich oft Stoff für weitere Geschichten. Dies ist kein Quellenbuch für SLs alleine und dafür mag ich es sehr!
Wo wir gerade von Universitäten sprechen – Absolventen wollen natürlich eine gute Stelle haben und so finden sich auch Beschreibungen von wichtigen Unternehmen (nebst allem Dreck, den sie am Stecken haben). Geheimdienste und Geheimorganisationen vervollständigen das Bild.
Wie ich vorhin schrieb: Das Buch ist nicht für Spielleiter alleine, sondern auch maßgeblich für Spieler. Zur einfachen Verdeutlichung der neuen Inhalte dienen Beispielcharaktere. Aber auch die sicherlich stark erwarteten neuen Spezialmanöver und Organisationen, die beide während der Charaktererschaffung gewählt werden können, lassen das (ggf. mechanische) Spielerherz höher schlagen. Apropos mechanisch – natürlich werden auch neue Machinae zum Verbauen in den eigenen Körper vorgestellt, ob dies nun aus militärischen oder (üblicherweise) medizinischen Gründen geschieht. Zudem gesellen sich neue Fahr– und Flugzeuge zum Fuhrpark des Finsterlandes.
Auch Waffen erhalten einen eigenen Abschnitt, hier stolperte ich jedoch über das eine oder andere System, welches einen in meinen Augen zu stark erhöhten Schaden erzeugt. Dies mag realistisch sein, übersteigt aber dem Bauchgefühl nach die im Grundregelwerk übliche Ausprägung von Waffenschaden und ist daher nicht in Balance mit dem Rest der Spielwelt.
Den nächsten Abschnitt empfinde ich als besonders wertvoll, stellt er doch dar, wie man als Spielleitung die Technologie am besten in das Spiel einbringt. Wie gehe ich auf Charaktere mit hoher Technikaffinität ein? Wie nutze ich das Stilmittel des Krieges als Treiber der technologischen Entwicklung, ohne, dass es kriegsverherrlichend wirkt? Wie behalten die Spieler und Spielerinnen ihren Spaß trotz der Gräuel? All das sind komplexe Zusammenhänge, bei denen das Buch hilft, sie in die eigene Spielrunde einzubringen. Ebenso geht das Kapitel auf Orte des Fortschritts ein, also Lokalitäten, die ich im Lauf einer Kampagne einbringen kann, um das Flair des technischen Fortschritts zu unterstreichen. Als langjähriger Spielleiter, der eigentlich nur noch leitet, habe ich hier sehr viel Wertvolles mitgenommen.
Gegner sind immer ein Thema in Rollenspielen. Hier geht das Quellenbuch nicht nur sehr detailliert auf den alten Feind, die Eisenmeister, ein, sondern auch auf eine Vielzahl von Gruppierungen, wie die Geheimorganisation der Aethir und andere, durchaus auch gefährliche Verbindungen. Was ich persönlich sehr an Finsterland liebe, ist, dass immer wieder mathematische Wertebeschreibungen mit Hintergrundinformationen verbunden werden. Jedes Kapitel bleibt spannend! Autonome Minen, ein Erbe des Krieges, habe ich bereits in meine eigene Kampagne eingeflochten.
Abschließend gibt es wieder ein Abenteuer: Die Charaktere begleiten einen Zug, der ein neuartiges Waffensystem transportiert. Erwartungsgemäß gibt es einen unerwarteten Twist und – was ich sehr begrüße – Handlungslinien, die sich abhängig von den Entscheidungen der Charaktere entwickeln.
Ich nehme nicht zu große Worte in den Mund, wenn ich schreibe, dass ich von der schieren Masse der Informationen, wie auch deren Präsentation einfach baff bin. Baff und hin und weg.
Preis-/Leistungsverhältnis
25 EUR für ein Quellenbuch, welches vieles klarstellt, weiterführende Informationen liefert, Ideen für Handlungsfäden und – noch darüber hinaus – echte mathematisch belastbare Entwicklungs– und Ausrüstungungsmöglichkeiten liefert? Na, worauf warte ich noch? Eigentlich kann man nur noch zuschlagen. Wieso „eigentlich“? Weil man Finsterland dafür generell mögen sollte. Das Geld ist absolut nicht falsch angelegt.
Fazit
Das Handbuch der Technologie versteht es wunderbar, den Anspruch von Finsterland umzusetzen, ein anfängergeeignetes Rollenspiel in einer Steampunkwelt zu liefern und durch weitergehende Informationen zu unterstützen. Der schiere Gehalt an Informationen – ob direkt verwertbar oder auch nur zur persönlichen Freude des Lesers – ist unglaublich hoch und auch die Darbietung ist großartig. Ich kann, auch nach mehrfacher, sehr kritischer Überlegung, nur zu einem Kauf des Quellenbuches raten. Zumindest, wenn man Finsterland spielt und mag.
Bonus/Downloadcontent
Es existiert kein direkter Downloadcontent, jedoch komme ich nicht umhin, auf die wahrhaft üppige Download-Datenbank von Finsterland hinzuweisen. In dieser finden sich nicht nur gute – wenn auch rudimentäre – Abenteuer, sondern auch eine Vielzahl weiterführender Spielhilfen: Klick
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http://www.teilzeithelden.de
In der Welle des Steampunk darf auch die Untergattung Steamfantasy nicht fehlen. In Österreich entstand ein kleiner Schatz, den ich auf der RPC 2012 näher betrachten durfte und auch ein Rezensionsexemplar mitnahm. Hier gebe ich Euch heute meine Eindrücke wieder.
Erscheinungsbild
Bereits das Cover zeigt uns, was wir erwarten werden: Rollenspiel in einer zivilisierten Zeit. Eine Gruppe von vermutlichen Abenteurern mit Zylinder, Magie und eleganter Kleidung wartet auf einem Aufgang eines Hauses und blickt etwas entgegen, was der Betrachter nicht sehen kann. Der Schriftzug ist in geschwungenen Buchstaben gehalten, die stilistisch gut zur gewählten Thematik passen.
Das Innere des Hardcover-Einbandes weist Papier mit einer angenehmen Haptik auf, welches im leicht gedeckten Weiß punktet und somit zum Text einen guten Kontrast bietet. Das unterstützt die Lesbarkeit ungemein.
Auch Illustrationen und Zeichnungen passen gut in das Gesamtbild. Allesamt in schwarz/weiß gehalten, sind sie auf gehobenem Hobbyniveau und können daher nicht mit den Werken der großen Künstler mithalten. Ich mag den Stil jedoch sehr.
Der Text wird immer wieder durch Tabellen oder Bilder aufgebrochen, der Eindruck langer unlesbarer Textwände kommt gar nicht erst auf.
Bedenkt man, dass das Buch in Eigenregie und ohne ein größeres Verlagswesen entstand, erweckt das Projekt einen sehr ordentlichen Eindruck.
Die Spielwelt
Die Welt von Finsterland ist eine Interpretation des europäischen ausgehenden 19. Jahrhunderts, das Technologielevel ist jedoch höher und eher vergleichbar mit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Interpretation deswegen, weil es nicht unsere Welt ist. Bereits ein Blick auf die Landkarte und das Studium der Beschreibung der verschiedenen Städte und Landstriche offenbart eine fremde Welt, in der wir jedoch Parallelen erkennen können zu unserem Europa. Spanier, Italiener, Skandinavier, Russen – alles ist auffindbar und doch verändert. Ein kleines Gimmick ist, dass der Grundriss der Hauptstadt Alexandragrad ein wenig so wirkt, wie der spiegelverkehrte Umriss von Wien. Ich mag diese kleine Hommage.
Magie ist vielleicht nicht alltäglich, aber eine seit Äonen vorhandene Macht, die mittlerweile an Universitäten unterrichtet wird und Grund für hohes Ansehen ist. Als Novum gegenüber der Macht der Magie stehen die Machinae – Machwerke menschlicher Schaffenskunst, die ich am ehesten als Steampunk-esque Cyberware erklären würde.
Hervorgekommen ist diese Technologie aus den Wirren des letzten großen Krieges, der das Kaiserreich nah an den Rand des Zusammenbruchs brachte und viele Invaliden nach Hause kommen ließ. Um deren verlorenen Gliedmaßen zu rekonstruieren oder Ersatz zu schaffen, wurde diese Technologie entwickelt. Der Krieg ist nominell vorbei, jedoch handelt es sich mehr um einen zerbrechlichen Waffenstillstand, der nach außen hin als Frieden verkauft wird.
Da die Menschen des Finsterlandes, zumindest die meisten Städter, der Technologie noch sehr wertoffen und fast ängstlich entgegen stehen, hat sie sich noch nicht durchsetzen können und ehemalige Soldaten, die mit einem mechanischen Bein (oder krasseres) den Passanten auf der Straße begegnen, sind Grund für das Wechseln der Straßenseite oder gar Anfeindungen.
Die magischen Schulen sehen in der neuen Technologie, die sich auch weiter auf Eisenbahnen, Automobile, Zeppeline, Flugzeuge und gar Panzer (und noch ganz andere Sachen) erstreckt, eine Bedrohung ihrer Vormachtstellung. Letztlich gefährdet die fortschreitende Industrialisierung also wie auch in unserer realen Historie, lang existente soziale Strukturen. Magie ist elementare Spruchmagie.
Was ich jedoch vermisse, ist eine genaue Beschreibung dieser lang existenten sozialen Strukturen, als wie auch der Einfluss von Magie und Mystik auf die Geschichte der Welt. Wir bekommen zwar Andeutungen, dass etwas da war und was es in ungefähr ausgerichtet hat, aber mir ist das zu wenig. Aber vielleicht ist es auch so gedacht? Wie eine „Mach dein eigenes Finsterland“–Sandbox? Das auf jeden Fall, aber wie stark muss ich sandboxen? Mir fehlt dort etwas.
Einen Metaplot bekomme ich zwar angedeutet, in diesen werden die Spielercharaktere sogar direkt hineingestürzt im Kennenlern-Abenteuer, ich bekomme als SL auch darüber hinausgehende Informationen, aber irgendwie habe ich diese Details (die ich nun nicht nennen werde, um nicht zu spoilern) noch nicht griffig genug im Geist.
Ein sehr schönes Kapitel beschreibt die wichtigsten Städte mit ihren Eigenheiten, gibt Ideen für Plots und ist äußerst lesenswert. Darauf aufbauend findet sich eine Beschreibung der adligen und bürgerlichen Herrscher der verschiedenen Landstriche. Hier empfiehlt sich der Blick auf jeden Fall, denn die Informationen in diesem Abschnitt komplettieren das vorherige geschichtliche Bild und geben nicht wenige spielrelevante Hintergrundinformationen.
Natürlich gibt es in einer Welt wie dieser auch diverseste Burschenschaften, Orden, Kulte und andere Gruppierungen, diese sind Teil der Charaktererschaffung und nehmen dort eine besondere Rolle ein.
Abgeschlossen wird das Buch durch ein Bestiarium mit teils sehr abgefahrenen Gegnern und einem Einstiegsabenteuer. Hervorheben möchte ich beim Bestiarium, dass versucht wird, den Gegnern ein Bedrohungslevel zu geben. Dieses hilft mir als SL ungemein, einzuschätzen, ob ein Kampf unter statistischen Würfelwahrscheinlichkeiten tödlich für meine Spielrunde endet oder nicht.
Die Regeln
Das Regelsystem ist als poolbasiertes W10 System denkbar einfach. Gewürfelt wird die Summe des effektiven Attributs und der Fähigkeit als Anzahl von W10. Die Schwierigkeit ist 7. Würfelt man mehrere 10en, gelten sie unter speziellen Auswertungskriterien als kritische Erfolge mit besonderen Effekten. Sonderfähigkeiten ermöglichen es, jede 10 als kritischen Erfolg zu sehen.
Kritische Erfolge rechnen sich in 3 normale Erfolge um. Jede 10 nach der ersten gewürfelten 10 ist ein kritischer Erfolg. Habe ich also 4 10en gewürfelt, sind das 3 10en nach der ersten 10, also drei kritische Erfolge. Da ein kritischer Erfolg gleich 3 Erfolge ist, sind drei kritische Erfolge also 9 Erfolge. Rechne ich noch die erste 10 dazu, die ja auch ein Erfolg ist (Schwierigkeit 7), komme ich bei 4 10en auf 10 Erfolge.
Vieles erinnert hier an die World of Darkness als ebenfalls poolbasiertes W10 System, dann aber gibt es doch deutliche Unterschiede.
Der größte Unterschied ist der zwischen einem Attribut und dessem effektiven Wert. Während die effektiven Werte jene sind, die meist gewürfelt werden, haben die reinen Attribute andere Bedeutung, so z.B. steuert die Stärke die Regeneration eines Charakters in Phasen der Ruhe. Das effektive Attribut ist quasi immer 4 Punkte niedriger.
Der meist gewürfelte Teil in vielen Rollenspielen ist ohne Zweifel der Kampf, hier wird die Initiative durch die Anzahl von Erfolgen eines zu würfelnden Pools gesteuert, von kleinstem zu höchsten Erfolgswert deklariert und von höchsten zu kleinstem ausgelöst. Es bedient sich sonst des üblichen Angreifen-Ausweichen/Blocken-Absorbieren-Lebenspunkte abtragen. Ja, Lebenspunkte. Finsterland RSP bedient sich Lebens– und Zauberpunkten. Schadenspunkte werden nicht mit W10-Erfolgen bemessen, sondern mit W6 ausgewürfelt. Das Sinken der Lebenspunkte unter Null nebst der Erzeugung von Wunden (Durch mehr Schadenspunkte, als man Lebenspunkte hat) steuert das Ableben des Charakters, wenn da nicht die Todpunkte wären. Das sind Punkte, die man ausgeben kann, um den Tod abwenden, bei denen es dann nochmal zu prüfen gilt, ob man diese auch ausgegeben hat.
In Kampfsituationen finden wir ebenfalls eine Eigenheit – der Kampf auf Battlemaps ist bekannt und althergebracht. Dass die Felder jedoch keine Quadrate oder Hexfelder sind, sondern große Kreise, die nur in ungefähr helfen sollen, festzustellen, wo welcher Gegner und welcher Verbündete steht, ist neu. Zugleich unterstützt es den erzählerischen Ansatz, kommt aber auch denen entgegen, die diese Berechenbarkeit von Distanzen etc. benötigen. Das ist eine Form von Mittelweg, die ich so aus anderen Systemen kenne und mir deutlich mehr zusagt, als haarkleines Gezähle von Feldern.
Charaktererschaffung
Bei der Erschaffung eines Charakters werden zuerst einige Attribute erwürfelt und verteilt. Optional können sie auch aus vorhandenen Schemata gewählt werden. Aus diesen Attributen werden dann die effektiven Attribute errechnet. Die Attribute sind: Stärke, Geschick, Intelligenz, Wahrnehmung, und Charisma. Danach werden Punkte auf diverse Fertigkeiten verteilt, die sich in Schulen zusammenfassen, wobei Zaubern eine eigene Fertigkeitsschule ist.
Hat man das alles gemacht, kommt es zur Wahl der Klasse, hier Modell genannt. Dort gibt es zum Beispiel Dilettanten, Ritter, Diebe, Magier und noch einiges mehr. Aus der Wahl des Modells leiten sich die Spezialtechniken ab, über die der Charakter verfügt, die sogenannten Manöver. Manche Manöver können zu Spielstart gewählt werden, andere nur im laufenden Spiel erlernt und wiederum andere benötigen die Vorkenntnis der Haupttechnik.
Als letzten Schritt wählt man eine Organisation, welcher man angehört und wählt einen Hintergrund. Diese Organisationen sind oben beschriebene Gruppierungen und können vielerlei Gestalt sein, so z.B. eine Kaste von Maschinengläubigen oder eine Art Gentlemen’s Club. Auch ein Boxverein oder eine Magierschule ist denkbar.
Hinter dem Begriff Hintergrund verbergen sich zB Machinae, also Cyberware oder auch Reichtum, sozialer Stand, et cetera.
Was mir persönlich sehr gefällt, ist, dass ich durch dieses Baukasten-System viele Freiheiten habe, meine Idee eines Alter Ego gut zu realisieren und mich austoben kann. Gerade der Bezug vom Modell zur Vereinigung gefällt mir sehr gut und ermöglicht innovative Konzepte.
Dadurch, dass man als Spieler recht stringent durch dieses Kapitel durchgeführt wird und die Wahlmöglichkeiten dann doch zu Spielbeginn beschränkt sind, halte ich mich maximal eine Stunde mit der Erschaffung auf.
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
Ich schrieb weiter oben, dass ich mich frage, ob ich hier eine in gewisse Grenzen eingesponnene Sandbox habe. Ich bekomme einen guten griffigen Eindruck der Spielwelt, ich erfahre viel von der Geschichte und auch der Metaplot wird angerissen. Das Bestiarium und der Abschnitt über die Herrscher vervollständigen ein doch gutes Bild. Und doch habe ich viel Freiraum – Wieso wohl? Ganz eindeutig. um mich auszutoben, um meine eigenen Ideen von Finsterland ins Rennen zu werfen. Fakt ist ganz klar, dass wer hier eine wie bei DSA ins Kleinste ausformulierte Spielwelt erwartet, Pech hat.
Ich muss hier Eigenleistung betreiben als SL, muss mir auf Basis der Ideen aus dem Regelwerk meine eigenen Geschichten ausdenken. An der Stelle muss ich etwas aus der in unseren Rezensionen traditionell genutzten Struktur ausbrechen und auf die wirklich gute Webunterstützung hinweisen.
Ehemals auf Facebook und seit kurzer Zeit als eigene Website bekomme ich als SL massive Unterstützung durch Abenteuer, durch erweiternde Texte, die mir allesamt helfen, die Spielwelt besser zu verstehen und eine Runde zum Spaße aller zu leiten.
Auch, und sehr lobenswert finde ich hier erratierte Regeln, die mit Unlogiken aus dem Regelwerk aufräumen. Ich würde jedem interessierten SL wirklich anraten, sich hier einige Abenteuer herunterzuladen und durchzulesen, um ein Gefühl für die Welt zu kriegen.
Betrachte ich den Aufbau des Regelwerkes, um einzuschätzen, wie schnell ich Informationen finde und Regeln nachschlagen muss, bleiben hier wenige Wünsche auf. Der Aufbau ist logisch und zumindest ich finde die Informationen genau dort, wo ich sie auch erwarten würde. Da ist offenbar Gedankenschmalz hineingeflossen.
Definitiv benötige ich jedoch die Errata aus den Regeln, denn sonst stutze ich, verwirrt durch Überbleibsel vorheriger Regelversionen.
Das Regelwerk wird komplettiert durch Hinweise für Spieler und Spielleiter zugleich. Besonders an zweite Gruppe wenden sich einige wertvolle Tipps, wie mit Problemspielern umzugehen ist, wie Motivation zu erzielen ist, et cetera. Hier werden verschiedene Situationen am Tisch geschildert und in einem Frage-Antwort-Schema bemühen sich die Autoren, Ratschläge zu geben.
Dass dabei der Humor nicht zu kurz kommt, sieht man an diesem trockenen Beispiel:
Ein Spieler will eine Figur von einer anderen Runde spielen
Nein.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Aus Spielersicht gibt es nicht viele Regeln, die man behalten muss und diese sind zudem wahrlich nicht schwer. Die Charaktererschaffung ist selbst erklären, auch hier müssen Spieler nicht viel blättern, sondern einfach dem roten Faden folgen.
Bemängeln muss ich hier jedoch, dass dem Spieler an sich zwar Informationen zum Ständesystem und zu der Art zu leben in verschiedenen sozialen Positionen gegeben werden, aber echte handfeste Details ein wenig fehlen. Ich rate daher hier an, sich schlicht von unserer echten Geschichte lenken zu lassen und die Situation nach dem ersten großen Weltkrieg zu betrachten.
Preis-/Leistungsverhältnis
Für 25 EUR erhalte ich Zugriff auf ein Grundregelwerk, welches nicht nur untypischerweise für eine Veröffentlichung im Indiebereich eine Hardcover-Ausgabe ist, sondern auch noch bis oben hin voll mit guten verwertbaren Texten, schönen Illustrationen und sinnvollen Regeln mit nur minimalen Unstimmigkeiten, die der Rede nicht wert sind.
Zusätzlich finde ich ein Rollenspielsystem, welches massiv unterstützt wird durch die Fanbase, wie auch durch die Autoren, und stetigen Updates unterliegt. Hat man Fragen, kann man sich direkt an die Autoren wenden und erhält binnen zwei Tagen normalerweise Antwort.
Ich finde, das ist gut angelegtes Geld, oder?
Fazit
Finsterland ist ein wirklich liebevoll ausgearbeitetes Produkt, welches sich keinesfalls hinter Produkten der größeren Verlage verstecken muss. Die österreichische Rollenspielszene scheint klein zu sein, daher erscheint es mir umso sinnvoller, das Produkt zu unterstützen. Die wenigen Austrizismen in den Texten geben ihnen einen ganz eigenen Charme, der sympathievoll schmunzeln lässt während der Lektüre.
Die Regeln sind bis auf kleine Unstimmigkeiten recht ausgewogen und lassen sich aus dem Bauchgefühl heraus gut spielen. Spielwelt und –atmosphäre ziehen den Leser recht schnell in den Bann und dem Geist des geübten und kreativen Spielleiters entspringen schnell Ideen, was er für Geschichten spielen lassen kann. Das Spiel hat einen deutlichen Fokus auf narratives gemeinsames Erleben, weniger auf harte belastbare Zahlen.
Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir in der Testrunde, über die es natürlich zu geeigneter Zeit einen Bericht geben wird, viel Spaß haben werden.
Bonus/Downloadcontent
Ich kenne wenige Spiele aus dem Indiesektor oder auch Kleinverlagbereich, die derart gut unterstützt werden und vielleicht macht das ein Alleinstellungsmerkmal aus. Nicht nur gibt es eine stetig und voranschreitend gut gepflegte Wikipedia, nein, auch Präsenzen in den sozialen Medien Google Plus und Facebook. Seit recht kurzer Zeit gibt es auch die echte Website des Spieles, auf welcher man neben News auch etliches zum Download bekommt. Darunter finden sich Abenteuer, Erratas und weiterführende Texte. Ein Besuch ist dringend anzuraten!
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